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22.06.2024

Von Region und Literatur als glückliche Verbindung

Mit einem so kurzweiligen wie vergnüglichen Auftritt von Jean-Luc Bannalec, Schöpfer der Bretagne- Krimis um Kommissar Dupin, hat das 30. Eifel-Literatur-Festival (ELF) einen würdigen Abschluss vor der Sommerpause gefunden. Die rund 630 Festivalgäste in Prüm kamen in den Genuss einer Buchvorstellung als Deutschlandpremiere. Der Autor hatte seinen just zwei Tage vorher erschienenen 13. Band „Bretonische Sehnsucht“ dabei.

Passender hätte das für diesen Abend geplante Festival-Finale - das sich durch ein Überraschungs-Special im Herbst aber noch einmal verschiebt - nicht ausfallen können. Das betont auch Aloysius Söhngen, Bürgermeister der VG Prüm in seiner Begrüßungsrede, in der er die 30jährige Geschichte des ELF Revue passieren lässt und die Verbindung von Region und Literatur als entscheidenden Erfolgsfaktor herausstellt. Das Fundament habe Festivalgründer Dr. Josef Zierden gelegt, indem er in einem gleichnamigen Buch den Fokus auf „Die Eifel in der Literatur“ lenkte und dann der Literatur aus und in der Eifel eine erste Bühne mit Lesungen in der damaligen Volksbank Prüm gab. Wenig später habe auch Jaques Berndorf der Eifel zu Popularität verholfen und mit seinen hier angesiedelten Krimis das Regionalkrimi-Genre begründet. Beides habe sich gegenseitig befruchtet, so Söhngen, und zur beispiellosen ELF-Erfolgsgeschichte geführt, deren Verlauf mehr als 250 namhafte Autorinnen und Autoren, darunter Nobelpreisträger, hierhergeführt habe: „Die Idee von Josef Zierden hat die Eifel in die Literatur gebracht und die Literatur in die Eifel“.

So ist es also mehr als stimmig, dass dieser ELF-Abschlussabend die Verbindung von Literatur und Region mit Jean-Luc Bannalec als prominentem Vertreter des Regionalkrimi-Genres feiert. Seine inzwischen sechs Millionen Mal verkauften Bücher spielen ausschließlich in der Bretagne, und er versteht sie als Liebeserklärung an diese Gegend. Warum, erklärt er im überaus unterhaltsamen Gespräch mit dem jetzigen Festivalleiter Dr. Johannes Zierden: „Es ist die Faszination, dass es hier in Europa einen Winkel mit einer so ganz und gar eigenen Art gibt“. Angefacht habe sein Interesse ein „verrückter“ literarischer Reisebericht von Flaubert und ein Zitat von Paul Gauguin: „Die Südsee ist fremd, aber die Bretagne ist exotisch“. Und wie Bannalec ans Krimischreiben gekommen ist? Auch das erfahren die Gäste: „Wegen meiner Schlaflosigkeit“. Erst habe er dieses Übel mit der Lektüre klassischer Krimis von Agatha Christie, Arthur Conan Doyle, Patricia Highsmith und insbesondere Georges Simenon bekämpft. Dann habe er es mit selber Schreiben probiert. Auf den Schauplatz für seinen ersten Fall für Kommissar Dupin, das Lokal „L´Amiral“ in Concarneau habe ihn Georges Simenon mit seinem Roman „Der gelbe Hund“ um Kommissar Maigret gebracht.

Ob er jemals mit so großem Erfolg gerechnet hätte, will Dr. Johannes Zierden wissen. „Als ich damals anfing waren brutale Thriller in Mode, zum Beispiel aus Skandinavien. Da waren Kommissare heroinabhängig, schon 15mal verheiratet gewesen und ermittelten aus der Psychiatrie heraus – das war keine gute Zeit für `Cosy Crime´“, erwidert Bannalec und hat, wie häufig an diesem Abend, die Lacher auf seiner Seite. Dann schweift er genüsslich über vielerlei Erzählstränge ab, um freimütig zu erkennen: „Die Frage habe ich aber nicht ganz beantwortet!“. Die Antwort wäre auch zu kurz und wenig unterhaltsam gewesen, denn sie lautet einfach: „Nein“.

Begleitet von viel Applaus plaudert Jean-Luc Bannalec offen und mit authentischer Wirkung über seine Krimi-Karriere, die als Ausgleich zum Hauptberuf begann. Er war damals unter seinem richtigen Namen Jörg Bong verlegerischer Geschäftsführer beim S. Fischer Verlag. Weil er das nicht ausnutzen und seinem eigenen Programm keine Konkurrenz machen wollte, schrieb er unter Pseudonym. Vier von fünf Verlagen lehnten sein erstes Manuskript ab.

Heute stehen seine Bücher in der Publikumsgunst ganz oben, das zeigt sich auch in Prüm, als Bannalec andeutet, dass nach zwanzig Fällen eventuell Schluss mit der Dupin-Reihe sein könnte. Ein bedauerndes „Ooohhh“ zieht sich durch die Zuschauerreihen. Die Begründung aber ist schlüssig: „Das Wichtigste in meinen Büchern sind die Orte, sie stehen am Anfang, noch vor Plot und Figuren. Es sind besondere Orte mit einer mystischen Aura, Orte, die in Bann ziehen, und die gibt es nur begrenzt“. Auch der Schauplatz des aktuellen Romans „Bretonische Sehnsucht“ ist so ein Ort, „ein extremer Ort mit ganz eigener Kultur“, beschreibt Bannalec. Es ist die sagenumwobene Insel Ouessant. Wie immer, wenn er ein Buch plant, ist Bannalec hierhin gereist, hat die Natur, die Menschen, ihre Geschichten und Mythen ergründet.

Drei Lesepassagen verraten nicht viel vom Inhalt – der soll offen und spannend für die Leserschaft bleiben. Aber sie verdeutlichen, wie plastisch der Autor die speziellen Gegebenheiten der bretonischen Insel eingefangen hat. Das Vortragen übernimmt Aloys Dawen, ehemaliger Oberstudienrat am Regio-Gymnasium Prüm, der sich regelmäßig als Vorleser in Zentralbücherei und Seniorenheim betätigt. Die Worte, die er liest, erzeugen Kopfkino.

Viel zu schnell geht der kurzweilige Abend zu Ende, mit interessierten Publikumsfragen, mit der ansehnlichen Bilanz der aktuellen Festivalausgabe von 3500 Besucherinnen und Besuchern bei sechs Veranstaltungen - und natürlich einer langen Schlange am Signiertisch.

Anke Emmerling