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25.05.2024

Aus der Summe der glücklichen Augenblicke setzt sich das Glück des Lebens zusammen

Ein heiterer und lebenskluger Abend mit Elke Heidenreich in Bitburg

Wo gibt es das, stehende Ovationen nach einer Lesung? Bei einem außergewöhnlichen Abend mit einer außergewöhnlichen Literatin beim Eifel-Literatur-Festival: Elke Heidenreich hat am Freitagabend in der Stadthalle Bitburg 800 Menschen mit so unterhaltsamen wie persönlichen und tiefsinnigen Erzählungen verzaubert.

Seit einem ersten Auftritt 2003 war Elke Heidenreich schon mehrfach Gast des Eifel-Literatur-Festivals, und so ist es ein bisschen wie ein Heimspiel, als sie nach Begrüßung durch Andreas Kruppert, Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm, und Dr. Johannes Zierden, Leiter des Eifel-Literatur-Festivals, die Bühne der voll besetzten Bitburger Stadthalle betritt. Die als „Literatur- Missionarin“ oder auch „Missionarin der Leselust“ Eingeführte wird mit überaus warmherzigem Applaus empfangen und revanchiert sich mit dem Satz: „Ich bin gerne beim Eifel-Literatur-Festival, das hier sind irgendwie meine Leute“. Dann greift sie zum Weinglas auf dem Lesetisch, prostet ihrem Publikum zu und freut sich: „Na bitte, immer stellen sie einem nur Wasser hin, aber: Wein braucht der Dichter!“. Schon jetzt hat Elke Heidenreich die Anwesenden mit ihrer erfrischenden Natürlichkeit und ihrem Humor für sich eingenommen.

Und der Sympathiefaden festigt sich, im Verlauf einer Lesung, die vielseitige Akzente setzt. Den Anfang macht Unterhaltsames aus dem häuslich-zwischenmenschlichen Bereich mit Episoden aus „Frau Doktor Moormann und ich“, einem eigentlich für Kinder geschriebenen Bändchen. Hier erzählt Elke Heidenreich augenzwinkernd von Erfahrungen mit einer unwirschen Nachbarin. Diese kann kein Verständnis dafür aufbringen, dass Heidenreich ihr Leben mit Mops Gustav und ihr Sofa mit Teddybär Fritz teilt. Was die Schriftstellerin hier leicht-locker, witzig-ironisch und so temperamentvoll erzählt, dass sie beim Gestikulieren schon mal das Mikrofon erwischt, hat durchaus tiefsinnigere Bezüge. Es geht unter anderem um Halt und Bezugspunkte im Leben.

Leben und Begegnungen, das waren schon immer zentrale Themen im Werk von Elke Heidenreich, und so nimmt es nicht Wunder, dass auch ihre nächste Lektüre diesen roten Faden aufgreift, diesmal allerdings mit einem Blick in die Ferne. In ihrem nunmehr 81jährigen Leben ist Elke Heidenreich viel gereist, „…um da zu sein, nicht um Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Ich bin nur interessiert an Menschen!“. In der Corona-Zeit hat sie sich des Glücks, diese Reisen erlebt zu haben, erinnert und es in einem Buch verarbeitet. Es trägt den Titel „Ihr glücklichen Augen“. Der Titel, so erklärt sie, beziehe sich auf das Türmer-Lied aus Goethes Faust.

Elke HeidenreichDie Passagen, die sie aus diesem Buch vorliest, eröffnen dem Publikum einen so persönlichen wie lebendigen Eindruck aus Städten dieser Welt. Es ist, als reise man mit ihr zusammen nach Zürich, Peking, Thessaloniki, Rom, Florenz, New York oder Berlin. Den Blick lenkt Elke Heidenreich dabei auf ganz spezielle Situationen oder Ereignisse, die allesamt in der Quintessenz kostbarer Begegnungen münden. Da erzählt sie zum Beispiel, wie sie im „Frauenbadi“ in Zürich einen wunderbaren Ort für „Mädels unter sich“ gefunden hat, um die wertvolle Freundschaft mit ganz verschiedenen Frauen allsommerlich zu pflegen. Aus Rom, wo sie 1959, als 16jährige, sechs Wochen verbrachte schildert sie nicht nur, dass Michelangelos Pietà das Kunstwerk ist, das je den stärksten Eindruck bei ihr hinterlassen hat, sie berichtet auch vom Erlebnis einer Papst-Audienz. Die Segnung durch den damaligen Papst Johannes XXIII hatte sie tief ergriffen, weil der seinem Beinamen „Papa Buono“ alle Ehre gemacht, ihr freundlich und gütig begegnet war.

Zum Vergnügen der Zuhörenden schiebt sie noch eine persönliche Anekdote ein, wie die Segnung bis heute nachhallt: Weil in den vergangenen Jahren keine Sternsinger mehr bei Elke Heidenreich und ihrer Nachbarschaft auftauchten, fühlte sie sich - gestärkt vom Segen des Papstes – selber in der Lage dazu, den Segen CMB mit Kreide an die Haustüren zu schreiben.

Nach der Reise durch die Welt nimmt sich Elke Heidenreich zum Schluss der Reise durchs Leben selbst, genauer ins Alter an. Sie stellt Auszüge aus ihrem brandneuen Buch „Altern“ vor, das sich seit seinem Erscheinen in Stückzahlen von 30.000 Exemplaren täglich verkauft.

„Von diesem Erfolg bin ich völlig überrumpelt“, sagt sie, „aber er macht deutlich, was für ein wichtiges Thema das ist“. Und wer hätte es besser bearbeiten können als diese Frau, die sich mit 81 Jahren ihre ureigene Individualität und Dynamik bewahrt hat und die Gabe besitzt, Schweres leicht und locker zu vermitteln? Dieser letzte Abschnitt der Lesung von Elke Heidenreich ist der berührendste, Höhe- und Endpunkt ihrer Lesung. Denn hier laufen alle Fäden zusammen. Die Begegnungen, die Erfahrungen, die Tiefschläge und Erfolge eines langen Lebens verweben sich zu Weisheit und Erkenntnis: „Auf den Tod zu warten ist völlig sinnlos, man soll das Leben genießen, und das fängt damit an, wie man es rückblickend bewertet“.

Heidenreich macht den Test mit ihrem Publikum, serviert ihr Leben einmal als „völlig in den Sand gesetzt“, indem sie das Negative aller seiner Stationen hervorhebt. Dann bewertet sie die das gleiche Leben als glücklich und erfüllt, indem sie das Positive seiner Stationen benennt. „So, und jetzt suchen Sie sich eine Version aus!“

Das trifft, genauso wie die Botschaft, „alles über 60 ist ein Geschenk“ oder die Aussagen, „meine Falten habe ich mir hart erarbeitet, hier sitze ich und atme und altere. Jetzt habe ich genug erlebt, um zu wissen, was ich will. In die Jugend bin ich reingerasselt, das Alter kam Schritt für Schritt“. Den Menschen, die ihr gebannt an den Lippen hängen, gibt Elke Heidenreich mit auf den Weg: „Man ahnt, was im Alter auf einen zukommt, aber man kann es genießen, man muss nur frühzeitig dafür sorgen, dass man Freunde hat!“ Wunderbar, Frau Heidenreich, und klar, dass dieser Abend voller Heiterkeit, Tiefsinn und Trost das Publikum von den Sitzen gerissen hat!

Anke Emmerling

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